Rekursion, die Vervielfältigung derselben Sache; bezieht sich auf die Anwendung einer Regel oder eines Verfahrens auf die eigenen Ergebnisse. In anderen Worten, etwas – ein Objekt, ein Bild, eine Regel oder eine Prozedur – wird mit sich selbst reproduziert und kopiert bis in die Unendlichkeit. Die beste Definition von Rekursion lautet wie folgt: „Rekursion, siehe Rekursion“. Tatsächlich ist Rekursion überall um uns herum zu finden: man kann sie in Ästen von Bäumen sehen, in Blutgefäßen und Eiskristallen, in Romanesco-Kohl und in Schalen von Weichtieren.
Rekursion hat Künstler wie M.C. Escher inspiriert sowie Designer (ein berühmtes Beispiel ist die Kakaopulver-Dose von Droste), Filmemacher (siehe Doctor Strange) und natürlich Mathematiker. Vielleicht hast du schon einmal von Fraktalgeometrie, oder Fraktalen, gehört, bei denen dasselbe Muster in verschiedenen Maßstäben reproduziert wird, so wie in der Abbildung rechts.
Rekursion in der Grammatik
Ebenso glauben einige Sprachwissenschaftler, dass die menschliche Sprache auf Rekursion basiert. So argumentieren zum Beispiel Hauser, Chomsky und Fitch in ihrem viel zitierten Artikel, dass Rekursion den Kern der menschlichen Sprache ausmacht. Aber was genau ist Rekursion in Sprache? Es hört sich vielleicht ein bisschen seltsam an, aber es besteht eigentlich sogar recht viel Verwirrung über die Definition der Rekursion (wie hier zum Beispiel dargestellt). Es gibt mindestens zwei weit verbreitete Interpretationen, welche ich hier „Matrjoschka-Puppen“ und „produktive Hierarchie“ nennen möchte.
Matrjoschka-Puppen in der Grammatik
Laut einiger Sprachwissenschaftler kann man nur dann von Rekursion sprechen, wenn eine Sprache es ihrem Benutzer erlaubt, eine Struktur in derselben Struktur einzubetten. Zum Beispiel wenn ein Teilsatz in einem anderen Teilsatz eingebettet werden kann, so wie in den folgenden Beispielen:
oder
[[[[Der Geburtstag von] dem Freund von] der Tochter] von Tom]
Diese Strukturen sind wie Matrjoschka-Puppen. Sie enthalten eine Satzeinheit innerhalb einer anderen und so weiter.
Die meisten Sprachen erlauben diese Strukturen. Es bestehen allerdings Zweifel darüber, ob das auch allgemeingültig ist. Vor allem Daniel Everett argumentiert, dass die Pirahã (auch Múra-Pirahã genannt), ein indigenes Volk des Amazona-Regenwaldes, weder in ihrer Grammatik noch in ihrer Kultur überzeugende Beispiele für Rekursion haben. In einer Sprache wie Pirahã könnte der Satz Marie wusste, dass John sagte, dass Jane es tat in einer Aneinanderkettung einfacher Sätze ausgedrückt werden. twa so: Jane tat es. Sagte John. Marie wusste es. Die intendierte Bedeutung wird vom Kontext abgeleitet. Sprachwissenschaftler diskutieren immer noch über Pirahã – ob es wirklich irgendwelche nennenswerten rekursiven Strukturen besitzt oder nicht, und ob eine Erkenntnis darüber ernst zu nehmende Konsequenzen für die sprachwissenschaftliche Theorie hat (siehe beispielsweise hier und hier).
Produktive Hierarchie
Die andere Interpretation von Rekursion ist abstrakter. Chomsky, der Rekursion populär gemacht hat, wurde durch eine Beobachtung von Wilhelm von Humboldt inspiriert. Von Humboldt war ein deutscher Sprachwissenschaftler und Philosoph, welcher meinte, Sprache mache Gebrauch von „unendlicher Verwendung endlicher Möglichkeiten“. Dies meint, dass Sprachbenutzer eine unendliche Anzahl an Sätzen kreieren können, indem sie eine begrenzte Menge an grammatikalischen Regeln auf die Wörter einer Sprache anwenden. In anderen Worten, dank der grammatischen Regeln einer Sprache gibt es keine Begrenzung der Anzahl an Sätzen, welche wir mit ihnen kreieren können.
Zu diesem Zweck, so argumentieren Chomsky und seine Anhänger, gibt es eine spezielle rechnerische Prozedur im Gehirn, welche Merge (Zusammenfügen) genannt wird. Sie kreiert grammatische Objekte aus Wörtern und ihren Kombinationen, bis alle Wörter in einem Satz innerhalb einer Struktur zusammengefügt wurden. Wenn ein Satz also mehr als zwei Wörter hat, ist er rekursiv, weil es an irgendeinem Punkt einen Merge zwischen einem Wort und einem bereits existierenden Satzteil geben sollte. Nehmen wir zum Beispiel den Satz Mein Professor weinte bitterlich. Um die Struktur dieses Satzes (S) zu verstehen, siehe Satzbaum unten, wendet unser Gehirn die rechnerische Prozedur Merge auf die Substantivgruppe [[mein][Professor]], auch Nominalphrase (NP) genannt, und die Verbalgruppe [[weinte][bitterlich]], auch Verbalphrase (VP) genannt, an, und verbindet diese zusammengefügten Satzteile mithilfe von Merge.
Aber ist diese Form der Rekursion wirklich so einzigartig für die menschliche Sprache, wie behauptet wird? Im Allgemeinen ist die Struktur, die durch Merge produziert wird, eine Hierarchie. Kleinere Einheiten sind in einer größeren organisiert, und diese in noch größeren, und so weiter. Wir können hierarchische Strukturen überall in der Natur und in der Kultur wiederfinden. Nehmen wir zum Beispiel den menschlichen Körper. Wir können mit Atomen von chemischen Elementen beginnen, welche Moleküle wie DNS und RNS formen, welche zu Proteinen umgewandelt werden, welche wiederum verschiedene Teile von biologischen Zellen ausmachen. Letztere organisieren sich in Gewebe, welches Organe bildet, die wiederum unseren Körper ausmachen. Alle komplexen Systeme sind genau genommen hierarchisch!
Genauso wie menschliches Verhalten… Jeden Morgen stehe ich zum Beispiel auf, dusche mich, putze meine Zähne, ziehe mich an und nehme mein Frühstück ein. Alle diese Aktivitäten können in Unterroutinen aufgeteilt werden. Beispielsweise Frühstück einnehmen besteht aus Frühstück vorbereiten und Frühstück essen. Frühstück vorbereiten beinhaltet wiederum einen Becher Kaffee machen und eine Schüssel Porridge vorbereiten, und so weiter. Ein komplexeres Beispiel wäre eine musikalische Symphonie, welche aus Bewegungen zusammengesetzt ist. Jede dieser Bewegungen hat ihre eigene Struktur, bis hin zu den individuellen Takten, Noten und Pausen. Jede Symphonie ist einzigartig, und es gibt keine Hinweise darauf, dass alle jemals möglichen Varianten je ausgeschöpft sein werden.
Unsere Spezies ist demnach fähig, eine unendliche Anzahl an hierarchischen Aktivitäten und Kulturgütern hervorzubringen. Warum sollte Grammatik hierin anders sein? Bedeutet dies, dass Rekursion etwas Triviales ist und dass wir uns etwas Aufregenderem zuwenden sollten? Noch nicht! Tatsächlich gibt es Behauptungen, dass Rekursion eine faszinierende und wichtige Rolle in der menschlichen Kommunikation spielt. Aber das ist das Thema eines anderen Blogbeitrags.
Lest weiter
– Chomsky, N. (1957). Syntactic structures. The Hague: Mouton.
– Chomsky, N. (1995). The Minimalist Program. Cambridge, Massachusetts: The MIT Press.
– Everett, D. (2005). Cultural constraints on grammar and cognition in Pirahã: Another look at the design features of human language. Current Anthropology 46(4): 621–646. Link
– Hauser, M. D., Chomsky, N., & Tecumseh Fitch, W. (2002). The faculty of language: What it is, who has it, and how did it evolve? Science 298: 1569. Link
– Humboldt, von W. (1836 [1988]). On Language: The Diversity of Human Language-Structure and its Influence on the Mental Development of Mankind. Cambridge: Cambridge University Press.
– Simon, H. A. (1962). The architecture of complexity. Proceedings of the American Philosophical Society 106(6): 467–482. Link
– Tomalin, M. (2011). Syntactic structures and the legacy of imprecision. Journal of Logic, Language, and Information 20(3): 297–315. Link
Abbildung
– Romanesco-kohl via link
– Schale eins Perlboot via link
– Fraktalgeometrie Abbildung wurde mit dem Verhalten des mandelbrot Pakets in R erstellt.
Autorin: Natalia Levshina
Redakteurin: Merel Wolf
Niederländische Übersetzung: Inge Pasman
Deutsche Übersetzung: Bianca Thomsen
Endredaktion: Merel Wolf