Covid-ifizierung der Sprache: Wieso sagen Wir Rona statt Coronavirus

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Die Coronavirus-Pandemie hat unsere Leben nachhaltig verändert. Darüber hinaus hat es auch die Art und Weise, wie wir sprechen, geprägt und hat so neue Wortkreationen wie Covidiot (Jemand der sich rücksichtslos in Bezug auf die geltenden Kontaktmaßnahmen und das Verbreiten von COVID 19 verhält) oder das Englische quarancation (Der Ersatzurlaub zu Hause) hervorgebracht. Doch es gibt auch subtilere Einflüsse, die nicht minder faszinierend sind.

Der Grund, wieso wir Wörter abkürzen
George Kingsley Zipf, ein amerikanischer Linguist, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Harvard arbeitete, wies nach, dass gebräuchliche Wörter oft kürzer sind als nicht so gebräuchliche Wörter, wie z.B Glück und Glücksfall oder groß und gigantisch. Der Grund dafür mag sein, dass Sprecher dem Prinzip des ‘geringsten Aufwands’ folgen. In diesem Sinne hat das Wort Auto das längere Wort Automobil ersetzt, und auch Handy ist aus dem alltäglichen Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken, im Vergleich zu dem ursprünglichen Mobiltelefon. Es ist inzwischen belegt, dass alle Sprachen diesem Prinzip folgen.

Es ist daher nicht überraschend, dass Menschen während der Pandemie Abkürzungen wie Corona anstelle von Coronavirus in ihrem alltäglichen Sprachgebrauch verwenden. Eine kürzlich erschienene Studie des ‘Oxford English Dictionary‘ zeigt in der Tat, dass der Gebrauch der verkürzten Version Corona deutlich angestiegen ist. Die eigentliche Bedeutung des Wortes erweiterte sich hierbei von dem ursprünglichen Coronavirus auf die Krankheit selbst, der Pandemie bis hin zu der verursachten sozialen Krise.

Englischsprechende Australier sind hier wahrscheinlich die Meister bezüglich des geringsten Sprachaufwands und erfanden die radikal verkürzte Form, Rona. Umgangssprachlich würde man daher sagen, Ich bin in Iso (-lation), wegen Rona.

Wie unterschiedliche Sprachen mit dieser Situation umgehen
Die verkürzte Form Corona ist in viele Sprachen, wie Bengalisch, Hebräisch, Indonesisch, Malayalam und Rumänisch integriert. Sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland, Dänemark und Schweden ist das Wort Corona sehr populär. Es wird besonders in zusammengesetzten Wörtern benutzt mit zwei oder mehreren unabhängigen Komponenten. So sprechen z.B. Niederländer von coronapatiënten ‘Corona-Patienten’, coronadoden ‘Corona -Toten’ und coronatests Corona-Tests‘. Man muss sich an coronaregels ‘Corona-Regeln’ halten und bewältigt die coronacrisis Corona-Krise‘. Zusammengefasst leben wir in coronatijd ‘Corona-Zeitalter’.

Die verkürzte Version Corona ist weniger erfolgreich in denjenigen Sprachen, in denen das Wort Corona schon eine Bedeutung hatte, wie ‘Krone’ im Italienischen, Polnischen und russischen. Dieser linguistische Zufall bildet die Grundlage für eine Vielzahl von Witzen. Einer dieser Witze bezieht sich auf Prinz Charles, welcher positiv auf das Corona-Virus getestet wurde: Una vita ad aspettare una corona e si prende quella sbagliata “Sein ganzes Leben hat er auf eine Krone gewartete, nur um am Ende die Falsche zu bekommen”.

Oder es gibt einen Witz, der sehr beliebt unter spanischen Anti-Monarchisten ist: Ojalá salgamos de esta sin virus y sin Corona “Hoffentlich kommen wir aus dieser Situation ohne das Virus und der Krone heraus”.

Zusätzlich sollte man nicht den Einfluss der Biermarke Corona außer Acht lassen, welche manche Bier-Fans davor abgehalten hat, Corona anstelle von Coronavirus zu benutzen. Unter solchen Umständen bevorzugen manche eher das Wort Covid, abgeleitet von COVID-19, obwohl dies generell eher als die formelle und wissenschaftliche Bezeichnung angesehen wird.

Eine wirkliche linguistische Erfolgsgeschichte kommt aus China. Der komplette Name für das Corona-Virus ist dort xin-xing guan-zhuang bingdu, was soviel bedeutet wie ‘neue Art von kronenförmigem Virus’. Sicherlich nicht die gängigste und allgemein tauglichste Bezeichnung. Prof. Danquing Liu, Direktor des linguistischen Instituts der Chinesischen Akademie der sozialen Wissenschaften, sagte zum Beginn der Pandemie vorher, dass xin-guan ‘neuartige Krone’ die beliebteste Variante sein wird, da sie kurz und informativ sei (ein Artikel dazu wurde im Bereich Jinri Yuyanxue “Linguistics Today” auf WeChat publiziert, eine der populärsten chinesischen Social Media Apps). Diese Vorhersage wurde nun bestätigt: Xinguan wurde inzwischen vom chinesischen Gesundheitsamt als offizielle Bezeichnung anerkannt und wird nun überall benutzt.

Mit Humor gegen das Virus
Natürlich erklärt das Prinzip des geringsten Aufwands nicht alle sprachlichen Phänomene. Unseren Versuchen, den sprachlichen Aufwand so gering wie möglich zu halten, steht natürlich eine Vorliebe für ausdrucksstarke Wörter und ein bisschen Spaß gegenüber. Daher ist es nicht wirklich überraschend, dass die Pandemie auch einige lustige Namen für das Virus hervorgebracht hat. Einige portugiesisch sprechende Brasilianer nennen es coronga vírus (coronga ist eine bestimmte Fischspezies). Eine eher zynische Version boomer remover ist unter jungen Amerikanern sehr beliebt, welche die Tatsache widerspiegelt, dass die Nachkriegsgeneration der ‘Baby Boomer’ besonders gefährdet sind. Manche Twitter User sprachen das Virus gar als menschliches Wesen an: “Frau Rona, bitte geh weg”.

Die Zeit wird zeigen, welche dieser Bezeichnungen die Pandemie überleben wird. Nichtsdestotrotz helfen uns einfallsreiche Wörter und Wortwitze durch die Krise, selbst wenn sie nur kurzlebig sind. Im Fazit läßt sich sagen, dass kurz und einfach am längsten währt, doch dabei sollte man die Kreativität nicht ganz außen vor lassen.

 

Die hier präsentierten Informationen stammen aus einer Konversation auf der Lingtyp-Mailingliste. Die Autorin ist allen Mitwirkenden sehr dankbar.

 

Lest weiter
– Bentz, C., & Ferrer Cancho, R. (2016). Zipf’s law of abbreviation as a language universal. In Proceedings of the Leiden workshop on capturing phylogenetic algorithms for linguistics (pp. 1-4). University of Tübingen. Link
– Den Boon, T. (2020). Coronawoordenboek. Taalbank. Geraadpleegd via: Link
– Oxford English Dictionary (2020). Corpus analysis of the language of Covid-19. Link

 

Autorin: Natalia Levshina
Redakteurinnen: Francie Mandhardt, Greta Kaufeld
Niederländische Übersetzung: Lynn Eekhof
Deutsche Übersetzung: Barbara Molz, Björn Wiemer
Endredaktion: Merel Wolf