Trommelsprachen
Sprachersatz der auf trommeln beruht, so genannte „Trommelsprachen“, findet man nicht nur im Senegal. Es gibt sie in Afrika, Südamerika, Asien und Ozeanien. Viele dieser Trommelsprachen vermitteln Inhalte indem sie Sprachlaute in Trommellaute umwandeln, so ähnlich wie in der gepfiffenen Sprache „el Silbo Gomero“. Die ursprünglichen Sprachlaute können von den Trommellauten abgeleitet werden, zum Beispiel wenn man genauso viele Trommelschläge produziert wie die Anzahl der Silben im Gesprochenen: die Trommel Version des Wortes „Spra-chen“ müsste also zwei Silben haben. Sabar imitiert aber keine Sprachlaute. Trotzdem kann Sabar Informationen ausdrücken. Wie funktioniert das?
„Bam“ ist ein Wort?
Die Antwort ist ziemlich simpel: Sabar hat eigene Wörter. So wie in gesprochener Sprache, bestehen Wörter in Sabar aus ganz bestimmten Kombinationen von Klängen. Linguisten sprechen dabei von Phonemen. Diese Laute, oder Phoneme, werden mit einer Hand oder einem Schlägel produziert. Ob man die Hand oder den Schlägel benutzt, und diese auf der Trommel bleiben oder abprallen lässt bestimmt welches Phonem produziert wird. Jedes Phonem hat seinen eigenen Namen. Wenn man zum Beispiel den Rand der Trommel mit der Hand schlägt und diese abprallen lässt, produziert man ein „pin“. Es gibt insgesamt 9 verschiedene Phoneme, die man sich hier anhören kann (Video von Winter, 2014). Jedes Wort in Sabar besteht aus einer Kombination von Phonemen.
Im Gegensatz zu anderen Trommelsprachen entsprechen die Trommelphoneme keinen Sprachlauten in Wolof, der am weitesten verbreiteten Sprache im Senegal. Das Wort „süß“ zum Beispiel kann als gin tac ausgedrückt werden: die Trommel mit der Hand schlagen und abprallen lassen, dann mit dem Schlägel schlagen und abprallen lassen. Dieses Sabar Wort ähnelt dem Wolof Wort für „süß“, saf, in keinster Weise: Das Wolof Wort hat nur eine Silbe, das Sabar Wort hingegen besteht aus zwei Schlägen.
Syntaktische Schläge
Wie in anderen gesprochenen oder Gebärdensprachen kann man Wörter in Sabar zu ganzen Sätzen kombinieren. In den meisten Fällen sind diese Sätze wortwörtlich aus Wolof übersetzt. In gesprochener Sprache wäre das zum Beispiel, wenn man einen Satz auf Deutsch formuliert und dann jedes einzelne Wort in eine andere Sprache, zum Beispiel Spanisch, übersetzt. Der Satz hätte dann nach wie vor den Satzbau eines Deutschen Satzes, aber die Wörter wären dann Spanisch, so wie in dem folgenden Beispiel:
Deutsch: Ich gebe meiner Schwester ein Geschenk
„Wort-für-Wort“ Spanisch: yo doy mi hermana un regalo
Korrektes Spanisch: „Le doy un regalo a mi hermana“
In diesem Fall ähnelt Sabar auch anderen Trommelsprachen, die die Reihenfolge der Wörter aus der gesprochenen Sprache unverändert lassen.
Trotzdem sind Sabar Sätze ganz besonders. Laut Yoad Winter, einem Linguisten an der Utrecht Universität, hat Sabar grammatische Regeln die anders sind als die in Wolof. Eine dieser Regeln betrifft die Art und Weise, wie man über mehrere Dinge spricht – also wie man den Plural bildet. In Sabar wird der Plural zum Ausdruck gebracht indem man etwas zweimal sagt. Anstatt eine Wortendung an das Wort zu hängen, wie zum Beispiel ein „n“ bei „Trommeln“, würde man in Sabar „Trommel Trommel“ sagen. Linguisten nennen das: Reduplikation. Den Plural durch Reduplikation auszudrücken gibt es in mehreren Sprachen, zum Beispiel Malay, aber interessanterweise nicht in Wolof.
Eine zweite grammatische Regel in Sabar, die sich von Wolof unterscheidet, ist der Ausdruck einer Verneinung. In Wolof wird ein Satz verneint indem man die Reihenfolge der ersten zwei Wörter, Pronomen und Verb, verändert. Wenn man „Ich will gehen“ verneint (Ich will nicht gehen), wird es zu „Will ich gehen“. In Sabar hingegen wird der ganze Satz umgeschmissen: „Gehen ich will“. Obwohl die Grammatik von Verneinen in Sabar noch nicht vollständig untersucht ist, wird deutlich, dass es sich hierbei von Wolof unterscheidet. Diese zwei Unterschiede zwischen Wolof und Sabar zeigen die eigenständige Grammatik von Sabar: Ein wahrlich einzigartiges Phänomen der Musik. Oder ist es Sprache?
Die musikalischen Grenzen von Sabar
Sabar hat Phoneme, Wörter und Grammatik. Dann müsste Sabar doch eine Sprache sein und nicht Musik, oder? Naja… Einige Aspekte von Sabar sind eher Musik als Sprache. Zum einen wird die Länge der Sätze beschränkt durch den Takt der Musik. Ein Satz mit vier Adjektiven passt in den Takt von Sabar, ein Satz mit drei aber nicht. Das ist in einer Sprache sehr ungewöhnlich. Bei gesprochener Sprache ist die Anzahl der Wörter nur abhängig davon, was die sprechende Person ausdrücken will. (Allerdings gibt es Situationen, in denen das auch bei gesprochener Sprache normal ist. Weißt du welche das sein könnten? Die Antwort folgt weiter unten!)
Der zweite Grund, warum Sabar eher Musik ähnelt, ist dass die Sabar Trommel nie benutzt wird nur um Informationen zu vermitteln. Es wird nur im Zusammenhang mit Gedichten und Liedern gespielt, um Inhalte widerzuspiegeln, die gleichzeitig vorgeführt werden. Außerdem ist der Wortschatz sehr abhängig vom Lernkontext. Da Sabar innerhalb von Familien gelernt wird, können sich die Wörter von Familie zu Familie unterscheiden, was die alleinige Kommunikation mit Trommeln erschwert.
Ist Sabar,der Herzschlag des Senegals, also Musik oder Sprache? Es scheint ein bisschen von beidem zu sein. Sabar ist eine Art von Musik, aber es ist Sprache viel ähnlicher als andere Trommelsprachen. Und genau das macht die sprechenden Trommeln so ein interessantes linguistisches Phänomen.
ANTWORT: Wann spielt die Anzahl der Wörter in einem Satz beim Sprachgebrauch eine Rolle? Bei Gedichten, Rap und Songtexten anderer Musikgenres.
Literatur
- Winter, Y. (2014). On the grammar of a senegalese drum language. Language 90(3), 644-668. https://www.jstor.org/stable/24672041
- Ros, S. (2021). Rhythm-speech correlations in a corpus of Senegalese drum language. Front. Commun. 6(July). https://doi.org/10.3389/fcomm.2021.643683
- Winter, Y. (s.d.). Sabar: The drum language of Senegal (website). https://www.phil.uu.nl/~yoad/sabar.html
Autor: Sophie Slaats
Redakteur: Cecilia Hustá
Niederländische Übersetzung: Julia von der Fuhr
Deutsche Übersetzung: Ronny Bujok
Endredaktion: Eva Poort