Star Wars-Linguistik: Warum Yodas Englisch wirklich außerirdisch ist

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Man muss kein Star Wars-Fan sein, um von Yoda, dem kleinen, aber mächtigen Jedi-Meister, gehört zu haben. Seine markantesten Merkmale sind seine kleine Statur, seine großen Ohren und seine seltsame Wortfolge.

Hier einige Beispiele:

Rest I need. („Ruhe ich brauche” ≈ Ich brauche Ruhe)
To his family, send him. („Zu seiner Familie schick ihn“ ≈ Schick ihn zu seiner Familie.)
Hard to see, the dark side is. („Schwer zu erkennen die dunkle Seite ist” ≈ Die dunkle Seite ist schwer zu erkennen)
Earned it, I have. („Verdient ich es habe” ≈ Ich habe es verdient)

Yodas Wortfolge hat die Aufmerksamkeit vieler Sprachwissenschaftler*innen auf sich gezogen. Mit diesem Text möchte ich dich davon überzeugen, dass sie wirklich zutiefst außerirdisch ist.

Benutzer*innen menschlicher Sprache neigen dazu, verwandte Satzteile so nah wie möglich aneinander zu setzen. Auf diese Weise machen sie die Sprachverarbeitung  von Zuhörer*innen optimaler (siehe hier, hier und hier). Zwischen Wörtern in einem Satz bestehen Abhängigkeitsbeziehungen, wobei ein Wort gewöhnlich das regierende Wort (der Kopf) ist und ein anderes Wort das Abhängige. Wenn die Abstände zwischen ihnen kurz sind, ist unsere Kommunikation effizienter, weil wir die unvollständigen, unfertigen Abhängigkeiten nicht lange in unserem Gedächtnis behalten müssen.

Ein Beispiel ist der englische Satz I need rest („Ich brauche Ruhe.”). Das Verb need („brauche”) ist der Kopf des Subjekts I („Ich”; Wer braucht?) und der Kopf des Objekts rest („Ruhe”; Ich brauche was?). Diese Abhängigkeiten können wir uns wie folgt veranschaulichen:

Die Länge der Abhängigkeit zwischen dem Subjekt I („Ich”) und dem Verb need („brauche”) ist ein Wort. Die Abhängigkeit zwischen dem Verb need („brauche”) und dem Objekt rest („Ruhe”) ist ebenfalls ein Wort. In der Summe beträgt der Abstand also 1 + 1 = 2 Wörter.

Nehmen wir nun den gleichen Satz auf Yodisch: Rest I need („Ruhe ich brauche.”). Wie in der englischen Wortfolge beträgt der Abstand zwischen dem Subjekt I („Ich)” und dem Verb need („brauche”) ein Wort. Aber der Abstand zwischen dem Objekt rest („Ruhe”) und dem Verb need („brauche”) beträgt nun zwei Wörter. In der Summe beträgt der Abstand nun also 1 + 2 = 3 Wörter.  Der yodische Satz ist also schwieriger zu verarbeiten als der Satz mit der englischen Standardwortfolge.

Eine quantitative Untersuchung mehrerer Star Wars-Skripte zeigt, dass die Abhängigkeiten im Yodischen im Durchschnitt länger sind als im menschlichen Englisch. Daher ist Yodisch für uns Menschen schwieriger zu verarbeiten.

Eine weitere sehr merkwürdige Eigenschaft des Yodischen hat mit seiner sehr flexiblen Wortfolge zu tun. Wenn Yoda spricht, ist die Wortfolge oft seltsam, so wie in den obigen Beispielen. Aber manchmal ist die Reihenfolge auch ganz normal:
 
Master Obi-Wan has lost a planet. („Meister Obi-Wan hat einen Planeten verloren.”)
A Jedi’s strength flows from the Force. („Die Kraft eines Jedis fließt aus der Macht.”)
 
Auch der berühmte Satz May the Force be with you („Möge die Macht mit dir sein.”) hat die menschliche (englische) Wortfolge. Dieser Wechsel vom Yodischen ins Englische und zurück erzeugt eine hohe Flexibilität. Manchmal folgt dem Subjekt das Objekt, wie im Standard-Englisch (“I need rest.”), und manchmal ist es umgekehrt (“Rest I need.”). Tatsächlich ähnelt das Yodische in dieser Hinsicht Sprachen wie Altgriechisch, Tschechisch, Ungarisch oder Litauisch. In diesen Sprachen kommen sowohl Subjekt + Objekt als auch Objekt + Subjekt häufig vor. Eine hohe Flexibilität der Wortfolge ist also nicht von vornherein komplett außergewöhnlich. Sprachen mit hoher Flexibilität machen jedoch ausgiebig Gebrauch von grammatikalischen Fällen, was  Zuhörer*Innen hilft zu verstehen, wer was mit wem gemacht hat. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Russischen, das ebenfalls eine umfangreiche Fallmarkierung hat:
 
Mash-a         ljubit     mam-u
Masha-SUBJEKT     liebt     Mama-OBJEKT
Mascha liebt Mama.
 
Mascha ist im nominativen Fall, der typisch für Subjekte ist. Mama ist -wie typisch für Objekte- im akkusativen Fall. Mit dieser Fallmarkierung kann die Wortfolge beliebig geändert werden; und dein/e Zuhörer*in wird dich immer verstehen. Im Gegensatz dazu setzen Sprachen ohne Fallmarkierung wie Englisch oder Mandarin auf eine strenge Wortfolge, um deutlich zu machen, wer Subjekt und wer Objekt ist. Wie Englisch hat auch Yodisch keine Fallmarkierung. Diese Kombination aus hoher Flexibilität der Wortfolge und fehlender Fallmarkierung macht Yodas Sprache daher wirklich außerirdisch!

Übrigens gibt es auch im Niederländischen keine nennenswerten Fälle. Außerdem erlaubt Niederländisch eine gewisse Flexibilität in der Reihenfolge von Subjekt und Objekt. Stell dir vor, deine niederländische Freundin sagt plötzlich: “Kijk, dat is Brad Pitt!” [„Schau, das ist Brad Pitt!„]. Sie fügt verträumt hinzu: „Deze man wil elke vrouw ontmoeten.”. Dieser Satz kann auf zwei Arten interpretiert werden: Entweder „Jede Frau möchte diesen Mann kennen lernen.“ oder „Dieser Mann möchte jede Frau kennen lernen.„. Sind Niederländer*innen also auch außerirdisch? Nicht ganz. Wenn wir echte niederländische Texte nehmen, stellen wir fest, dass die Position von Subjekt und Objekt im Vergleich zu Texten in Altgriechisch, Tschechisch, Ungarisch und Litauisch viel festgelegter ist. Auch die Intonation hilft uns, den Satz richtig zu interpretieren. Die Verwechslungsgefahr ist also geringer, als es den Anschein haben mag.

Kurzum, es ist den Schöpfern Yodas gelungen, seine Sprache wirklich außerirdisch und besonders zu machen. Wenn du also eine Sprache erfinden willst, die in einer weit, weit entfernten Galaxie gesprochen wird…  Vergiss nicht, die Sprachverarbeitung für einen Menschen schwierig zu machen, damit sie wirklich überzeugend ist!

 

Lest weiter
– Ferrer i Cancho, R. 2004. Euclidean distance between syntactically linked words. Physical Review E 70: 056135. Link
– Futrell, R., K. Mahowald, E. Gibson. 2015. Dependency length minimization in 37 languages. PNAS 112 (33): 10336-10341. Link
– Levshina, N. 2019. Universal Dependencies in a galaxy far, far away… What makes Yoda’s English truly alien. Proceedings of the Third Workshop on Universal Dependencies (UDW, SyntaxFest 2019), Paris, 35-45. Link
– Levshina, N. 2019. Token-based typology and word order entropy: A study based on Universal Dependencies. Linguistic Typology 23(3): 533–572. Link
– Liu, H. 2008. Dependency Distance as a Metric of Language Comprehension Difficulty. Journal of Cognitive Science 9(2): 159-191. Link

 

Autorin: Natalia Levshina
Redakteurin: Merel Wolf
Niederländische Übersetzung: Dennis Joosen
Deutsche Übersetzung: Julia Misersky
Endredaktion: Merel Wolf